Montag bestand wie gewöhnlich aus dem Packen der Foodbags.
Die Lebensmittellieferung kam heute etwas verspätet an und auch die Volunteers kamen erst später zur Organisation, da es Schwierigkeiten am gate des Camps gab.
Trotzdem hatten wir das Packen der Bags am Nachmittag abgeschlossen.
Pia und Benedict haben heute wieder ihre „german class“ gegeben. Dafür kommt immer ein minderjähriger Afghane vorbei. Heute hat sich herausgestellt, dass dieser nicht geimpft ist. Stratis hat das sehr beunruhigt. Zwar macht der Junge immer einen Antigentest bevor er zum Unterricht kommt, aber das wäre wohl nicht mehr genug, meinte Stratis.
Seit dieser Woche gelten in Griechenland noch strengere Regeln. Restaurants und Geschäfte dürfen nur noch betreten werden, wenn man geimpft oder genesen ist. Wie es mit geschlossenen öffentlichen Räumen generell aussieht, wissen wir nicht. Der Junge musste dann allerdings auf Stratis Bitte hin früher gehen, und ob und wie er wiederkehren wird, ist auch noch unklar.
Da das „council meeting“ heute das letzte sein würde, an dem Max und ich teilnehmen werden, sind wir nach der Arbeit zu einer Bäckerei gegangen, die Villy mir empfohlen hatte, um für das meeting eine Keksdose zusammenzustellen.
Mit dieser sind wir dann abends zum Meeting gegangen.
Wir haben uns am Anfang des Meetings für die ereignisreiche, aufregende und schöne Zeit bei Siniparxi bedankt. Besonders natürlich bei Stratis und Christina.
Stratis hat darauf geantwortet, dass er sehr froh über unsere Arbeit bei Siniparxi war.
„Die beiden haben drei besondere Eigenschaften: Sie sind immer höflich, arbeiten hart und erledigen alles mit einem großen Lächeln“, hatte er gesagt. Es war sehr berührend, das von Stratis zu hören.
Villy hat dann auch erzählt, wie sehr ich ihr bei ihren Sitzungen mit den Frauen geholfen habe.
Die Teilnehmenden des councils haben dann kurz angeregt auf Griechisch miteinander diskutiert, auffällig zu uns herübergeschaut und absichtlich nicht übersetzt.
Nach zwei Minuten hatte Stratis verkündet: „Also am Freitagabend um acht Uhr gehen wir zusammen essen in der Taverne, die direkt am Meer, nah an der Organisation liegt.“
Max und ich haben uns über diese Einladung sehr gefreut!
Thema des Meetings war vor allem der anstehende Besuch des Papstes Anfang Dezember. Len steht im engen Kontakt mit den Organisatoren seines Besuches und konnte so viele Informationen weitergeben. Außerdem wird Len selbst mit dem Papst sprechen dürfen. Er war bereits jetzt schon richtig aufgeregt.
Siniparxi möchte den Papst mit einem Banner empfangen, was ihn in seinem Interesse und seiner Solidarität für Geflüchtete bestärken soll.
Villy hat uns mit nach Hause genommen und uns für Samstag zu den „hot springs“ in Mytilini und anschließend zu einem Abendessen bei ihr zu Hause eingeladen. Ich freue mich, so noch etwas Zeit mit ihr zu verbringen und mich von ihr verabschieden zu können.
Am Dienstag hat es geschüttet wie aus Eimern. Ich hatte leider die falschen Schuhe gewählt und bin deshalb den Tag in der Organisation barfuß mit Badelatschen von Rouddy herumgelaufen. Meine Socken und Schuhe sind aber trotzdem nicht getrocknet…
Auf dem Hinweg zu Siniparxi haben Max und ich in einem Fotoladen drei Fotos ausgedruckt, die wir Stratis, Rouddy und Villy als kleines persönliches Abschiedsgeschenk geben wollen.
Die Fooddistribution am Camp verlief heute eher schleppend. Aufgrund des schlechten Wetters sind nicht alle Geflüchteten erschienen und sowieso musste lange auf diese gewartet werden.
Da Rouddy am Donnerstag einen „Spiele-Tag“ für die Kinder geplant hatte, hatte ich ein großes Spiel für draußen gebastelt, indem die Kinder bereits Gelerntes anwenden, sich aber vor allem viel bewegen können.
Nachmittags haben Max und ich für einen Afghanen und seine zwei Geschwister Fährtickets gekauft. Er war bisher immer Freitags bei der Foodistribution anwesend und immer sehr freundlich. Wirklich schön, dass es für ihn und seine Geschwister jetzt einen Schritt weiter geht.
Wir mussten etwas länger auf die Polizei warten, die die Kontrolle der Dokumente eröffnet und auch ein „invoice“ am Ticketschalter, wie wir ihn sonst immer bekommen haben, wurde uns heute nicht ausgestellt. Dennoch ist sonst alles gut verlaufen.
Als wir uns gerade auf den Rückweg gemacht hatten, kam uns ein Mann hinterhergerannt und hat „my friend, my friend“ gerufen.
Er hatte erzählt, dass er kein Geld für Tickets habe, seine Dokumente aber nur noch für fünf Tage reisegültig wären. Er hatte vermutlich gesehen, wie wir die anderen Tickets bezahlt hatten und wollte sein Glück ebenfalls versuchen.
Wir hatten aber natürlich nicht genug Geld dabei, um auch ihm noch ein Ticket zu bezahlen.
Ich habe ihm dann versucht zu erklären, er solle morgen zu Siniparxi kommen und dort nach Fährtickets fragen. Wir haben ihm die Handynummer von Rouddy gegeben und ihm gesagt, er solle sich bei Rouddy melden.
Als wir gerade mit ihm gesprochen haben, hat die Polizei neben uns angehalten und den Mann nach seinem Ausweis gefragt. Sie habend diesen dann kontrolliert und sind weitergefahren.
Der Mann zeigte sich von der Situation zwar nicht sonderlich beeindruckt, aber Max und ich waren etwas verwirrt. Wieso hält die Polizei neben einer Gruppe von Leuten, unterbricht ein Gespräch und kontrolliert nur einen einzigen Ausweis? Den eines Geflüchteten?
Das war wirklich eine eigenartige Situation…
Mittwoch begann mit einer kleinen Zirkus-Show für die Kinder aus dem Camp. Ein dreiköpfiges Zirkusteam aus Norwegen befand sich gerade auf Lesbos und hatte nun auch mit Rouddy Kontakt für heute aufgenommen.
Während wir die Kinder noch getestet haben, hat der Leiter des Projekts bereits angefangen, die Kinder zu „bespaßen“. Viele hatten am Anfang, als wir ihnen erklärt hatten, dass es heute ein ganz besonderes Programm für sie gäbe, zu uns gesagt: „We do not want a show. We want class.“ Aber auch das war dann schnell vergessen.
Es war wirklich super!
Die Kinder hatten richtig viel Spaß. Die drei haben von Zaubertricks über Clown-Tricks und kleinen Comedy-Einlagen alles geboten. Vor allem aber hatten die Kinder mal so richtig die Möglichkeit, sich laut und mit viel Bewegung auszupowern. Wenn auch nur drinnen, aufgrund des immer noch schlechten Wetters.
Auch die Volunteers wurden in die Show miteingebunden und hatten viel Spaß.
Um Punkt 10 Uhr hatte das Team mit den Kindern angefangen und um Punkt 12 Uhr wieder aufgehört. Es war wirklich mal ganz entspannt, ein geregeltes Programm zu haben, was bestens organisiert war und bei dem die Kinder überhaupt nicht ruhig sein mussten.
Eine tolle Idee!
Während die Kinder ihr Programm hatten, sind zwei geflüchtete Frauen zu uns in die Organisation gekommen, die nur Französisch gesprochen haben.
Sie wurden von einer anderen Organisation zu uns geschickt, um mit Rouddy zu sprechen und eventuell als neue Volunteers anzufangen. Das haben wir dann herausgefunden, als Max mit der Dame, die sie hierher vermittelt hatte, auf Englisch telefoniert hat.
Rouddy war nämlich für ein Interview zu Hause geblieben und Ben arbeitete bis Mittags noch im Krankenhaus als Übersetzer.
Ohne die beiden war es eine Herausforderung, den Frauen zu folgen.
Eine der beiden war auch nicht geimpft. Das ist etwas, über das wir uns wirklich Gedanken machen müssen: Dürfen auch Ungeimpfte, wenn sie einen negativen Testnachweis bei sich haben, die Organisation betreten oder nicht?
Für beide Frauen haben wir jedenfalls auf die Schnelle noch zwei Foodbags gepackt, da sie wieder gehen mussten und nicht auf Rouddy warten konnten.
Nach dem Programm der Kinder haben Max und ich die Liste für die Fooddistribution am Freitag erstellt und nachgehalten, wen Siniparxi bereits mit Fährtickets unterstützt hat.
Pia und ich haben außerdem für das Spiel am Donnerstag noch Würfel gebastelt, da wir keine in der Organisation finden konnten.
Als Max und ich uns gerade unterhalten katten, kam Raha nah an mich herangeschlichen und hat mir ins Ohr geflüstert, dass sie kurz meine Hilfe bräuchte.
Sie habe ihre Tage und bräuchte Binden, hatte sie dann gesagt.
Leider hatten wir alle Binden bereits in die Bags für die Fooddistribution am Camp getan.
Ich habe dann eine Packung der Binden aus einem Bag gezogen und sie hat diese blitzschnell peinlich berührt eingesteckt.
Wahnsinn, wie schüchtern und zurückhaltend afghanische Frauen bei diesen Themen sind.
Nachmittags wollten Max und ich mit dem Bus Richtung Camp fahren, um im Lidl nach etwas Deutschem Ausschau zu halten, was wir den Volunteers als kleines Abschiedsgeschenk am Montag mitbringen könnten.
Der Bus fährt normalerweise alle halbe Stunde.
40 Minuten haben wir in der Kälte gewartet und es dann aufgegeben. Dann werden wir ihnen wohl doch nichts „Deutsches“ mitbringen können ,(wobei wir sowieso nicht wussten, ob wir so etwas im Lidl finden würden).
Mittwoch Abend stand kein griechischer oder afrikanischer Tanz an, sondern eine kleine Geschichtsstunde mit Christina. Letzte Woche war der Gedenktag an den Aufstand am Polytechnio in Athen.
Bei diesem Aufstand haben griechische Studenten 1973 für Freiheit und das Ende der Diktatur demonstriert, wurden dann aber gewaltsam niedergeschlagen.
Christina und Yannis, ihr Mann, waren beim Aufstand dabei.
Sie konnte erzählen, wie genau der Aufstand abgelaufen ist, wie sie hautnah die Panzer das Eingangstor hat sprengen sehen, wie Verletzte in das Universitätsgebäude gezogen wurden, wie viele Studenten Zuflucht in fremden Wohnungen bekommen haben und wie noch viele Tage Schüsse zu hören waren.
Es war beeindruckend, das alles von jemandem zu hören, der selbst dabei war. Wirklich interessant!
Donnerstag begann sehr chaotisch. Die Kinder sind nicht gekommen, da ihr Begleiter heute einen Termin hatte und sie niemand anderes gefunden hatten, der sie zur Organisation begleiten konnte.
Um 11 Uhr kam eine große Gruppe von Pariser Studenten vorbei, die mit Rouddy sprechen und ihn interviewen wollten. Davon wussten wir nichts…
Wir haben in der Zeit vor der Organisation mit Raha, Nazari und Ben geredet. Ben hat uns erzählt, dass er sogar eine militärische Offiziersausbildung hat. Wahnsinn, was Ben alles schon erlebt hat!
Raha hat seit Mittwoch endlich ein Dach über dem Kopf. Vorher hatte sie ein paar Tage draußen schlafen müssen. Zwar durfte ihr Kind bei ihrer Freundin schlafen und Raha durfte auch dort duschen, allerdings nicht dort übernachten…
Christina hat für sie eine Bleibe organisiert. Raha ist aber sehr unzufrieden damit. Sie muss sich ein kleines Zimmer mit einer unordentlichen Frau teilen. Sie hält das für keine gute Lösung für sich und ihre Tochter. Max hatte erzählt, dass Raha sogar überlegt, ihre Tochter mit ihrer Schwester jetzt nach Athen zu schicken… (Das ist Samstag morgen dann auch wirklich passiert.)
Nazari hat mir von seinem Plan erzählt, bei einer weiteren „rejection“ ,(die Entscheidung war eigentlich für Montag angesetzt gewesen), illegal nach Italien zu gehen.
Ich wusste gar nicht, was ich darauf antworten sollte… Ich habe ihm gesagt, dass das sehr gefährlich und unsicher ist, aber ich kann eben auch verstehen, dass er nicht noch weiter hier in einem „Zustand des Nichts“ schweben möchte, in dem weit und breit kein Schritt nach vorne in Sicht ist.
Alles andere als einfach…
Die Lebensmittellieferung kam sehr verspätet an. Auch heute war es wieder nur sehr wenig.
Generell möchte Rouddy jetzt aber immer nur noch 60 Bags vorbereiten, da eben nicht mehr viele Geflüchtete in der Stadt leben.
Nachdem die Studenten gegangen waren, haben wir angefangen, das Office zu putzen. Das war auch dringend nötig!
Um kurz vor zwölf standen auf einmal vier Kinder von unserer Englischklasse in der Tür.
Wir haben dann improvisiert und sind mit Nici, Elena, Raphael und Jistivi zum Hafen und ein Eis essen gegangen. Wir wollten das schöne Wetter noch nutzen, auch wenn wir das Spiel mit der kleinen Gruppe nicht spielen konnten.
Sie haben sich alle total über das Eis und die Zeit am Hafen gefreut.
Eigentlich wollten wir mit ihnen danach noch in den Pinienwald gehen und Fußball spielen.
Der Begleiter meinte aber, sie müssten wieder zurück ins Camp und so haben wir sie direkt am Sappho-Square in den Bus gesetzt.
Auch wenn die vier sicherlich eine schöne Zeit hatten, hätten Max und ich uns gerne von all unseren Schülern verabschiedet… Für alle hatten wir auch eigentlich einen Schokoladen-Nikolaus dabei. Diese Grüße werden Pia und Benedict nächste Woche für uns überbringen.
Wieder in der Organisation angekommen, haben wir neue Kleiderspenden in die Regale einsortiert. Eigentlich wollten wir gar keine neuen Spenden annehmen. Ins Camp dürfen keine mehr gegeben werden und es kommen eben nur noch wenig Geflüchtete bei Siniparxi vorbei. Wir bleiben also auf den Klamotten sitzen…
Raha hatte heute zwei ihrer selbstgemalten Bilder mitgebracht, die wirklich toll aussahen! Eins davon hängt ab jetzt in der Organisation.
Nachmittags haben wir dann die Foodbags gepackt.
Weil letzte Woche nur wenig Menschen die Bags abgeholt haben und viele uns mitgeteilt haben, dass sie wieder im Camp leben, sollten diese Woche nur 60 Bags ausgegeben werden.
Da wir noch einige von letzter Woche und von Dienstag übrig hatten, mussten wir insgesamt nur 40 neue Bags packen. Aus den anderen mussten wir aber einige Lebensmittel herausnehmen, weil die 40 für diese Woche wirklich nur mit wenig gefüllt waren.
Hoffentlich wird am Freitag noch etwas nachgeliefert…
Donnerstag Abend sind Max und ich mit Dona essen gegangen. Bevor wir gehen, wollten wir sie noch einmal sehen und sie wollte uns gerne zum Essen einladen.
Eigentlich wollten wir nach Afalonas fahren, eine kleine Stadt nicht weit von Mytilini entfernt. Allerdings hatte die Batterie von Donas Auto leider den Geist aufgegeben, als sie uns einsammeln wollte und so sind wir in Mytilini essen gewesen.
Es war wirklich sehr schön: Wir haben uns viel über unsere Erlebnisse, unsere Pläne, Donas Geschichte, ihren Job, aber auch über andere persönliche Dinge unterhalten.
Ich hatte das Gefühl, sie versteht, wie wir uns mit der Situation „bald geht es zurück“ fühlen und sie konnte unsere Erfahrungen auf Lesbos sehr gut nachvollziehen.
Da sie in Amsterdam lebt, werden wir uns auch sicherlich noch einmal treffen. Trotzdem war es schön, dass wir uns so von ihr verabschieden konnten.
Freitag haben wir die Listen für die Foodistribution am Nachmittag ergänzt. Ab jetzt kommen nämlich alle Geflüchtete in der Stadt, egal ob insgesamt eine oder zehn Personen in ihrem Haushalt leben, wöchentlich vorbei.
Ich bin mit Rouddy kurz Druckerpatronen kaufen gegangen, während Stratis ein Meeting mit einem Mitarbeiter von LeaveNoOneBehind hatte, um über das weitere Vorgehen bei der Fooddistribution für den Dezember zu sprechen.
Es kam auch eine weitere Lebensmittellieferung mit Mehl, Zucker, Milch und Toastbrot an, um die wir die Bags noch erweitern konnten. Zum Glück!
Stratis haben Max und ich heute unser kleines Abschiedsgeschenk in Form von einem gemeinsamen Foto und einem Text auf Griechisch ,(bei dessen Übersetzung uns Lamprini geholfen hatte), übergeben. Stratis war sehr gerührt, hat uns fest in den Arm genommen und gesagt, dass er uns sehr vermissen werde. Er hat uns vorgeschlagen, auf jeden Fall nächsten Sommer noch einmal vorbeizukommen, um etwas „Urlaub“ zusammen zu verbringen.
Er hatte uns erzählt, dass er auch von seinem Posten als Präsident von Siniparxi zurücktreten möchte. Etwas mehr Ruhe hat er sich auch wirklich verdient! Acht Jahre lang war er sogar der Bürgermeister von Mytilini gewesen und dann lange Zeit der Präsident von Siniparxi. In seiner Familie gibt es gerade viele gesundheitliche Probleme, da sollte er sicherlich mehr Ruhe haben.
Um 12 Uhr ist Christina vorbeigekommen und hat Max und mich zu zwei Kunstmuseen mitgenommen. Wir haben ihr vorher noch Blumen als kleines Abschiedsgeschenk überreicht und auch sie hat sich sehr gefreut.
In einem Museum wurden Bilder von Teophilos Hatzimihail, einem bekannten Künstler von Lesbos, ausgestellt. Das andere Museum war sehr modern und drehte sich vor allem um einen berühmten Kunstkritiker von Lesbos, der viele bekannte Künstler wie Picasso oder auch Coco Chanel gekannt und kritisiert hat.
Christina konnte uns viel zu Teophilos erzählen und im zweiten Museum haben wir sogar kostenlos eine Führung bekommen.
In beiden Museen hatten wir aber absolut unsere Ruhe, da auch hier „off-season“ immer wenig los ist.
Christina hat uns sogar zwei Andenken-Poster von einem Bild von Teophilos geschenkt.
Es war wirklich schön, auch mit ihr noch etwas Zeit zu verbringen.
Als wir wieder in der Organisation angekommen waren, haben wir mit der Fooddistribution angefangen. Das Wetter hat auch heute nicht so ganz mitgespielt und so mussten wir die Distribution halb draußen und halb drinnen stattfinden lassen.
Rouddy wollte, dass wir heute alle nach ihren konkreten Adressen fragen. Viele konnten uns keine nennen. Wir haben ihnen dann gesagt, sie sollen uns nächste Woche ein offizielles Dokument mitbringen, was zeigt, wo sie leben.
Ein Mann hatte nach Geld für Fährtickets am Samstagmorgen gefragt. Da konnten wir ihm nicht weiterhelfen. Die Geflüchteten müssen ja immer erst von der Polizei kontrolliert werden, bevor sie reisen wollen und wir ihnen die Tickets kaufen. Das ist aber nur unter der Woche ab 16 Uhr möglich. Da war er also zu spät dran…
Max ist mit Hamid noch nach Thermi gefahren, um auch dort ein paar Bags auszugeben. Sie haben ebenfalls neben dem Lidl in der Nähe der Camps gehalten, um Geflüchteten, die illegal in einem verlassenen Gebäude neben dem Lidl leben, mit Lebensmitteln zu versorgen.
Rouddy hatte das einige Wochen zuvor organisiert, weil er auch diese Menschen unterstützen wollte.
Das Schönste an der Ausgabe war heute allerdings, dass ganz zufällig Mercene und Trisila vorbeigekommen waren. Gerade hatte ich Lidia, einer neuen Freiwilligen aus Spanien, noch erzählt, dass Max und ich uns leider nicht von zwei Schülerinnen verabschieden konnten, die wir im Oktober fast jeden Wochentag gesehen haben, da spazierten die beiden durch die Tür. Sie brauchten einen Corona-Test.
Mercene hat mit Lidia gesprochen und als ich ihr und ihrer Schwester Saft geholt habe, ganz stolz auf mich gezeigt und gesagt: „You know, this is my teacher.“ Ab jetzt nicht mehr, habe ich mir gedacht…
Ich habe ihnen versucht zu erklären, dass ich jetzt wieder zurück nach Deutschland gehe und sie sehr vermissen werde. Trisila hat mich angeschaut und gefragt: „And when are you coming back?“, als würde ich nur für einen kurzen Weihnachtsurlaub zurück nach Deutschland gehen. Ich habe ihr gesagt, ich wüsste es nicht und würde erst einmal länger wegbleiben. Sie hat es nicht richtig verstanden… Aber immerhin konnte ich mich von den beiden (wenn auch nur für mich selbst) verabschieden.
Um kurz vor sechs haben wir die Ausgabe geschlossen. Dieses Mal sind weniger Bags übrig geblieben als sonst.
Abends waren wir zum Essen mit dem Siniparxi council eingeladen. Es gab allerdings einen richtigen Platzregen und so hat Villy uns mitgenommen. Die Taverne lag direkt am Meer und wir hatten zwischenzeitlich Angst, dass das Plastikzelt des Restaurants wegfliegt… Es ist aber alles gut gegangen!
Das Essen war wirklich schön; Christina hat die Speisekarte rauf- und runterbestellt und wir haben uns dann alles tapas-artig geteilt. Sogar Oktopus und kleine Haie hatten wir auf dem Tisch. Wir haben viele interessante Gespräche über alles Mögliche geführt. Oft wurden Max und ich nach unseren Studienplänen gefragt, die wir ja selbst noch nicht hundertprozentig festgemacht haben.
Ich habe Villy dann von Donas Projekt erzählt und die beiden werden jetzt miteinander in Kontakt treten, um zu schauen, wie sie sich gegenseitig helfen können.
Das Lustigste an dem Abend war, dass in der Taverne auf einmal eins der Lieder gespielt wurde, zu welchem Christina uns einen griechischen Tanz beigebracht hatte. Als ich das erkannt habe, sind wir aufgestanden und haben dazu getanzt.
Also ein so richtig klischeehafter griechischer Abend!
Was uns sehr gerührt hatte, war, dass Siniparxi uns auch noch Geschenke gegeben hatte. Jeder von uns hat eine große Tasse und mehrere Spezialitäten von Lesbos geschenkt bekommen. „Als Andenken“, hatte Villy gesagt. Wir haben uns total gefreut.
Zum Abschied haben uns alle viel Erfolg für unseren weiteren Werdegang und eine gute Reise gewünscht. Da ist mir bewusst geworden, dass unser Abschied von Lesbos nicht mehr weit entfernt war…
Samstag waren wir zunächst bei RAD Music. Die französischen Studenten waren wieder da und haben Max und mich einiges zu Siniparxi gefragt.
Als Rouddy dann in die Organisation gekommen war, haben sie zusammen getanzt und Rouddy hat mit Joel zwei Lieder gesungen.
Max und ich wurden noch von Mimi bezüglich unseres Freiwilligendienstes bei RAD Music interviewt.
Rouddy hat sich dann ganz emotional mit Zertifikaten, T-Shirts von RAD Music und berührenden Worten bei Joel ,(der ebenfalls Montag die Insel verlässt), und uns bedankt.
Als Ben uns die T-Shirts überreicht hat, hatte er eine ganz gebrochene Stimme und wir wussten, dass es auch für ihn ein emotionaler Abschied werden würde.
Aber wie Rouddy es so schön gesagt hat: „In RAD we don’t say goodbye, we only say see you later.“ Und ich finde, das fasst es ganz gut zusammen.
Max und ich haben uns dann noch von Hashmat, Elena, Mimi und Lidia verabschiedet und Rouddy das gemeinsame Foto mit einem Abschiedstext auf Lingala überreicht. Auch er war total gerührt und hat uns fest in den Arm genommen.
Dann mussten Max und ich uns sehr beeilen, weil Villy und ihr Bekannter Sterrios uns zu den „hot springs“ mitnehmen wollten.
Diese liegen 15 Minuten außerhalb von Mytilini, direkt am Meer. Die ehemaligen osmanischen heißen Quellen sind in ein offenes, modernes Spa umgebaut worden. Für sehr wenig Eintritt konnten wir in die geschlechtergetrennten Thermen gehen. Es war total ruhig und entspannend. Eine schöne Erfahrung.
Villy und Max sind sogar noch kurz ins Meer gegangen ,(so wie der Besuch eigentlich gedacht ist). Sterrios und mir war das Wetter dann aber doch um einiges zu kalt dafür.
Die Anlage umfasst außerdem noch einen Infinity Pool, einen Jacuzzi, eine Sauna und ein nettes Café.
Villy hat noch ein Video von mir aufgenommen, in dem ich über meine Erfahrungen bei ihrem „women-empowerment“ Programm „the azadi project“ spreche, was auf dessen Instagramseite hochgeladen werden soll.
Nach den „hot springs“ sind wir zu Villy nach Hause gefahren, wo sie ein sehr aufwändiges Abendessen für uns vorbereitet hatte. Wie bei einem Thanksgiving-Dinner haben wir uns durch Salat, Naan-Brot, Dips, einem Tomaten-Feta Pie, einem Blätterteig-Spinat Pie, Ziege, Kartoffeln und getrockneten Pflaumen mit Zimt-Sahne-Creme als Dessert gegessen.
Villy hat sich wirklich richtig viel Mühe gegeben und es hat toll geschmeckt!
Auch sie hat sich sehr über das Foto von ihr und mir und dem Abschiedstext auf Griechisch gefreut. Als wir uns verabschiedet haben, waren wir beide sehr gerührt. Schließlich haben wir uns auch fern von der Arbeit im „azadi project“ viel erzählt, anvertraut und gut verstanden. Sie wird mir wirklich fehlen.
Sonntag Vormittag waren wir mit Stratis auf seiner Oliven- und Orangenbaumplantage in Thermi.
Bei strahlendem Sonnenschein hat er uns über die weite Fläche geführt und uns seine Orangen-, Zitronen-, Mandarinen-, Feigen-, Olivenbäume und Weintraubensträucher gezeigt. Wirklich beeindruckend!
Das Grundstück verfügt auch über ein kleines Häuschen, auf dessen Terrasse wir es uns erst einmal gemütlich gemacht und Mandarinen und Weintrauben gegessen haben.
Generell hat man von der Plantage, welche auf einem Berg liegt, einen traumhaften Ausblick auf das Meer. Da wir heute so gutes Wetter hatten, hatten wir auch eine gute Sicht auf die Küste der Türkei.
Gemeinsam haben wir zunächst die Orangen vom Boden eingesammelt und anschließend einige gepflückt. Stratis hat mehrere Tüten für Familie und Freunde vorbereitet und eine große Kiste gepackt, die er zur Organisation mitnimmt.
Auch wir mussten bzw. durften uns frei bedienen. Da uns aber natürlich nicht mehr viel Zeit auf Lesbos bleibt, haben wir nicht allzu viele Früchte mitgenommen.
Danach waren wir zusammen in einer Taverne Mittagessen und haben besonders viele Meeresfrüchte gegessen.
Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass Stratis so viel Zeit mit uns verbracht hatte und wir noch die Möglichkeit hatten, ihn etwas näher abseits der Organisation kennenzulernen.
Abends waren wir bei Rouddy zu einem Abschiedsessen eingeladen. (Ja, an diesem Wochenende wollte tatsächlich jeder irgendwie mit uns Essen.)
Er hat uns erst einmal gezeigt, wie man „boma mama“ und „Fufu“ kocht. Das können wir jetzt auch in Deutschland weiterführen, hatte er gesagt.
Tatsächlich ist vor allem das ständige Rühren bei Fufu alles andere als einfach…
Rouddy hatte wieder viel afrikanisches Essen vorbereitet. Ben, Lamprini, Antzela, Jota und Mervedi kamen auch vorbei. Wir haben gemeinsam gegessen, getanzt und viele Gespräche geführt.
Was Max und mich wirklich geschockt hatte, war, wie ausländerfeindlich einige Bars, Restaurants und viele andere Dienstleistungsgeschäfte auf Lesbos sind.
Rouddy hatte erzählt, dass er an diesem Tag von einem Autofahrer lauthals mit: „Das ist nicht dein Land!“, beschimpft wurde. Er hat aber ganz cool auf die Situation reagiert. Das hat mich echt beeindruckt.
Außerdem hat er von vielen Situationen erzählt, in denen er nicht bedient wurde, ihm seine Fragen aus Prinzip nicht beantwortet wurden oder er unnötigerweise nach seinen Papieren gefragt wurde.
Mervedi hat Ähnliches berichten können.
Die Polizei sei auch nicht hilfreich in solchen Situationen. Unsere Mitbewohnerinnen hatten von einer Schlägerei zwischen einem griechischen Bar-Türsteher und einem Geflüchteten berichtet, in den die Polizei trotz mehrfacher Aufforderung nicht einschreiten wollte…
Wirklich erschreckend, was für alltäglicher Ausländerfeindlichkeit und Rassismus die Geflüchteten ausgesetzt sind.
Der Abschied verlief auf den Wunsch aller kurz und schmerzlos. Wir haben abgemacht, uns wiederzusehen und uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.
Vor allem Ben „Auf Wiedersehen“ zu sagen, fiel mir besonders schwer. „I will not express all the emotions I feel right now“, hatte er gesagt, als er mich in den Arm genommen hatte.
Und das war tatsächlich auch besser so. Einen zu emotionalen Abschied hätte auch ich nicht verkraftet.
Montag haben wir unsere Koffer zu Ende gepackt, die Zimmer gesäubert und waren noch ein letztes Mal bei der Organisation, um uns auch von den Volunteers zu verabschieden.
Wir haben uns mit ein paar Worten und Keksen für die erlebnisreiche gemeinsame Zeit bedankt und uns von jedem verabschiedet.
Besonders Stratis und Christina haben noch einmal betont, wie froh sie waren, dass wir die letzten zwei Monate bei Siniparxi geholfen haben. Stratis hat aber auch gesagt, dass diese Beziehung eine richtige Freundschaft ist. Das hat uns sehr berührt.
Joel war auch vor Ort. Er wollte ebenfalls heute mit dem Flugzeug zurück nach Italien. Aufgrund des schlechten Wetters wurde der Flugverkehr von Mytilini allerdings eingestellt.
Schweren Herzens haben wir die Organisation dann ein letztes Mal verlassen.
Der Abschied von unseren beiden Mitbewohnerinnen war auch alles andere als einfach. Sie hatten uns zur Fähre gefahren und auch wenn wir den Abschied ebenfalls kurz und schmerzlos halten wollten, sind dann doch ein paar Tränchen geflossen.
Vor allem, weil Max und mir bewusst wurde, dass dieses „Abenteuer“ jetzt zu Ende ist.
Rouddy und Jota waren auch noch zur Fähre gekommen und haben sich von uns verabschiedet. Besonders der Abschied von Rouddy fiel uns schwer. Er hat uns erzählt, wie leer ihm das Office schon heute ohne uns vorgekommen war…
Und auch wenn er immer wieder betont hat, dass wir uns wiedersehen und er sich noch oft bei uns melden wird, werden wir ihn trotzdem vermissen.
Pünktlich um 18 Uhr sind wir dann mit der Fähre nach Piräus abgelegt.