Bild mit den beiden Leitern der Organisationen auf Lesbos
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Hoffnungslosigkeit entgegenwirken – zwei Monate Hilfe für Geflüchtete auf Lesbos

Diesen Erfahrungsbericht schrieben wir für das Solinger Tageblatt

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Als im September 2020 das Flüchtlingslager „Camp Moria“ auf der griechischen Insel Lesbos brannte, herrschte großes weltweites Interesse an der katastrophalen Situation der Geflüchteten an Europas Außengrenze. 

Im Camp Moria waren zeitweise mehr als 20.000 Menschen untergebracht. Dies war aber ursprünglich nur für weniger als 3000 Geflüchtete konzipiert. Diese maximale Überfüllung zeichnete sich in unmenschlichen Lebensbedingungen ab. So mangelte es an ausreichend Hygiene, Nahrung, Sicherheit und vor allem an Platz. Auch die bereitgestellten Zelte waren lange nicht ausreichend. 

Camp Karatepa 2, Lesbos
Im neuen „Camp Karatepa 2“ leben mittlerweile noch ca. 2.500 Menschen

Nachdem das Camp durch den Brand vollständig zerstört war, mussten die Menschen notgedrungen auf der Straße leben, bis ein provisorisch neues Camp errichtet wurde. In diesem war die Situation zu Beginn teils noch katastrophaler, da es an grundlegender Versorgung mangelte.

Diesen Zustand bekam die Öffentlichkeit jedoch kaum noch mit, da die mediale Aufmerksamkeit und Solidarität zu dieser Zeit bereits wieder abgeflacht war.

Uns beschäftigte die Situation der Geflüchteten allerdings auch weiterhin.

Deshalb haben wir im Dezember 2020 eine Spendenaktion an unserem Gymnasium, der August-Dicke-Schule, organisiert. Dabei haben wir den Verein „Solingen hilft“ bei einem Hilfsprojekt für Geflüchtete im neu errichteten Flüchtlingslager „Camp Karatepa 2“ sowohl mit Sachspenden als auch finanziell unterstützt. 

Durch intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik wurde die Idee, auch vor Ort zu helfen, für uns immer konkreter.

Nachdem wir unser Abitur im Juni 2021 absolviert hatten, haben wir beschlossen, unsere Idee zu konkretisieren und nach einer Hilfsorganisation Ausschau gehalten.

Das stellte sich jedoch zunächst als schwieriger heraus, als wir es uns vorgestellt hatten, da oftmals nur Fachpersonal gesucht wird. 

Glücklicherweise sind wir über private Kontakte auf die griechische Organisation „Siniparxi“ (zu Deutsch: Koexistenz) aufmerksam geworden, welche auch bereits von Solingern finanziell unterstützt wurde. 

Wir waren die ersten ausländischen Volontäre bei Siniparxi und haben unseren Aufenthalt privat organisiert. Über Siniparxi haben wir eine Wohnmöglichkeit in der Hauptstadt der Insel, Mytilini, vermittelt bekommen.

Siniparxi wurde 1998 gegründet und bemühte sich zunächst um eine Verbesserung der griechisch-türkischen Beiziehung. 

Durch die Nähe der Insel zur Türkei spürten die Bewohner das Ausmaß der Flüchtlingsthematik ab 2015 besonders. Viele Fliehende versuchen nach wie vor über die Türkei nach Europa zu gelangen. Siniparxi änderte daraufhin den Schwerpunkt ihrer Arbeit, um in der neuen Situation angemessen zu helfen.

Die wichtigste Aufgabe der Organisation beläuft sich auf die Ausgabe von Lebensmitteln und Hygieneartikeln an Geflüchtete im Camp. Dieses wird mittlerweile von dem Verein „Solingen Hilft e.v.“ finanziell unterstützt.

Darüber hinaus sammelt Siniparxi Kleiderspenden, organisiert Ausflüge für Geflüchtete und versucht, weiter auf die prekäre Situation der Geflüchteten aufmerksam zu machen.

Als wir im Oktober 2021 zur Organisation dazu stießen, haben wir uns an allen Aufgaben der Organisation beteiligt. Besonders das Packen von Lebensmitteltüten und die Ausgabe derer am Camp war ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.

Wir engagierten uns jedoch auch schnell bei „RAD Music International“, einer weiteren Organisation, die sich am selben Arbeitsplatz wie Siniparxi befand. 

Diese Organisation ist von Geflüchteten gegründet worden und beschäftigt sich vor allem mit dem kulturellen Austausch zwischen Geflüchteten, Einheimischen und Volontären. Außerdem engagiert sich die Organisation im Bereich der musikalischen und sprachlichen Bildung für geflüchtete Kinder.

Englischunterricht für geflüchtete Kinder, Lesbos

So haben wir schnell ein Angebot für Englischunterricht für Kinder aus dem Camp etabliert. Zweimal wöchentlich kamen vorwiegend kongolesische Kinder in das Gebäude der Organisation und wurden von uns unterrichtet und betreut.

So haben wir ein Angebot für Englischunterricht für Kinder aus dem Camp etabliert. Zweimal wöchentlich kamen vorwiegend kongolesische Kinder in das Gebäude der Organisation und wurden von uns unterrichtet und betreut.

Schnell bemerkten wir, dass ein geregelter Arbeitsablauf in der Organisation schwierig war, und so übernahmen wir außerdem administrative Aufgaben und vermittelten zwischen NGOs (Non-Governmental-Organizations) und Geflüchteten.

Eine andere lokale Hilfsorganisation bot psychosoziale Unterstützung für geflüchtete Frauen in Form von wöchentlichen Seminaren an, an denen Celia teilnahm.

Natürlich haben wir während unseres Freiwilligendienstes die Auswirkungen der Corona-Pandemie gespürt. So haben strikte Regeln der griechischen Regierung unsere Arbeit erschwert und der nötige Abstand war oftmals nicht einhaltbar. Das haben wir vor allem bei unserem Unterricht mit den Kindern gemerkt.

Aufgrund des engen Kontakts mit Geflüchteten gab es viele inspirierende und bewegende Momente. Da wir auch in unserer Zeit außerhalb der Arbeit mit vielen Menschen Kontakt hatten, die sich mit derselben Thematik beschäftigten, fehlte es nie an Austauschmöglichkeiten. 

Wir wurden von den Mitarbeitenden bei Siniparxi und RAD Music International schnell ins Team mit aufgenommen. Ihre herzliche Gastfreundschaft reichte auch weit über unsere Arbeit hinaus. So haben wir vor allem mit Stratis Pallis, dem Präsidenten von Siniparxi, Christina Chatzidaki, der Sekretärin der Organisation und Rouddy Kimpioka, dem Gründer von RAD Music International privat viel Zeit verbracht. Wir haben Ausflüge zu anderen Städten auf der Insel oder einer privaten Orangen- und Olivenbaumplantage unternommen, regelmäßig gemeinsam getanzt und mehrfach zusammen gekocht und gegessen.

Es sind tiefgreifende Freundschaften entstanden, die von mehr als nur einem Arbeitsverhältnis geprägt waren.

Durch das Zusammentreffen verschiedenster Kulturen, der Sprachbarrieren, der Unberechenbarkeit der Situation sowie Unplanbarkeit der Arbeit war unsere Zeit auf der Insel aber auch oftmals herausfordernd.

Während wir auf der Insel täglich versucht haben, Geflüchteten zu helfen, ist es für uns nun einfacher, die Lage in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Uns ist das Ausmaß der Problematik so erst richtig bewusst geworden. 

Darunter fallen die teils immer noch unmenschlichen Bedingungen, unter denen die Menschen im Camp leben müssen, die Intransparenz der Asylverfahren und der fehlende Plan für Geflüchtete ohne Chancen auf Asyl. Zu häufig führt dies bei ihnen zu einem dauerhaften Zustand der Hoffnungslosigkeit.

Selbst für die Menschen, die Asyl gewährt bekommen, mangelt es an langfristiger Unterstützung. Das wird besonders in Athen sichtbar, wo sich Geflüchtete von den griechischen Inseln ansammeln und oftmals auf der Straße landen.

Die unkoordinierte Arbeit der Europäischen Union generell im Umgang mit der Migration führt dazu, dass NGOs die Ver- und Umsorgung der Geflüchteten auffangen müssen. Das haben wir täglich erlebt. Auch für die vor Ort lebenden Griechen stellt die Situation seit Jahren eine Herausforderung im Alltag und im Umfeld dar.

Uns ist im Großen und Ganzen bewusst geworden, dass es bisher an nachhaltigen politischen Lösungen mangelt und die Flüchtlingsproblematik eher weggeschoben als konstruktiv angegangen wird.

Persönlich befinden wir uns aktuell in einer Phase der Orientierung mit Praktika, Arbeit, Reisen, eventuell anderen Freiwilligendiensten und einem bald anstehenden Studium. Doch die Verbundenheit mit unseren neuen Freunden und die prägenden Erfahrungen auf Lesbos begleiten uns immer noch. Auch weiterhin werden wir versuchen, auf die prekäre Lage der Geflüchteten an Europas Außengrenzen aufmerksam zu machen und sicher noch einmal nach Lesbos zurückkehren.

unser Team der Freiwilligenarbeit, Lesbos
v.l.n.r.: Max Urbitsch, Stratis Pallis (Präsident von Siniparxi), Celia Matthaei und Rouddy Kimpioka (Gründer von RAD Music International) (Foto: Max Urbitsch) 

Denn durch unseren Freiwilligendienst ist uns bewusst geworden, dass die Problematik nicht gelöst ist, nur weil sie aus den aktuellen Nachrichten verschwindet.


Hilfe wird an allen Stellen benötigt. Auch die Organisationen, mit denen wir zusammengearbeitet haben (Siniparxi, RAD Music International und The Azadi Project), aber auch der Verein „Solingen hilft e.v.“, welcher jetzt die Finanzierung der Lebensmittelausgaben an Geflüchtete von Siniparxi übernommen hat, freuen sich über jede Art der Unterstützung. Ob tatkräftig, materiell oder finanziell.
Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung gegen Spendenquittung können auf den Internetseiten der Organisationen oder direkt über die unten angeführten Links gefunden werden.

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